Timo Boll hat seinen ersten Erfolg über Chinas Superstar Fan Zhendong und damit das Finale der Austrian Open in Linz nur um Haaresbreite verpasst. Der Rekordeuropameister unterlag dem Weltranglistenersten in einem ebenso dramatischen wie hochklassigen Schlagabtausch nach drei vergebenen Matchbällen in der Verlängerung des Entscheidungssatzes mit 12:14. Im anschließenden Endspiel besiegte Fan in der Linzer Tipsarena seinen Landsmann Zhao Zihao mit 4:0, bei den Damen sicherte sich die Japanerin Mima Ito vor Zhu Yuling (China) den Titel.
„Eines der besten Spiele, das ich je gesehen habe“, zeigte sich Adam Bobrow, seit vielen Jahren Livestreaming-Kommentator des Weltverbandes ITTF, von dem 2:11, 11:4, 13:11, 11:5, 3:11, 5:11 und 12:14 überaus beeindruckt. In der Tat bot die spektakuläre Siebensatzpartie einen Augenschmaus mit finaler Dramatik, überraschenden Wendungen inklusive ausgelassenen Satz- und Matchbällen, rasanten Topspinrallyes sowie zahlreiche Finessen mit Platzierungs- und Effet-Varianten.
Boll: „Diese Niederlage schmerzt schon sehr“
Deutschlands 38 Jahre alte, ehemalige Nummer 1 der Welt, verpasste allerdings nach einer 3:1-Satzführung auch im sechsten Duell mit dem 16 Jahre jüngeren, aktuellen Weltranglistenersten Fan am Ende erneut den Sieg, hatte diesen bei seinen insgesamt drei Matchballen beim Stande von 10:8 und 11:10 im Entscheidungssatz jedoch immerhin erstmals zum Greifen nahe. Entsprechend groß war anschließend die Enttäuschung des zweimaligen World-Cup-Gewinners: „Diese Niederlage schmerzt schon sehr. Körperlich und seelisch! Ich hätte sehr gerne mal gegen ihn gewonnen. Er fehlt als einziger in meiner Liste. Der Matchball bei 10:8 war extrem unglücklich. Den hat er doppelt mit Finger und Belag getroffen, zudem hat er schlecht gestanden. Aber ansonsten war Fan heute auch sehr stark, daher kann ich mir keinen großen Vorwurf machen.“ In einer ähnlichen Situation beim Zwischenstand von 1:1 hatte Boll zuvor im dritten Durchgang nach vier vergebenen Satzbällen bei 10:6 seinen fünften zur 2:1-Führung nutzen können.
Roßkopf: „Timo hat gezeigt, auf welchem Niveau er spielen kann“
Bei der 70-minütigen Werbung für den Tischtennissport musste Boll an seine physischen Grenzen gehen: „Ich bin gespannt, wie sich mein Körper morgen anfühlt. Zumindest aber kann ich etwas relaxen in den nächsten Tagen, da ich meinen Start beim T2-Diamond-Turnier in der nächsten Woche abgesagt habe.“ Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf kommentierte die herausragende Leistung Bolls mit einem lachenden und einem weinenden Auge: „Timo hat hier selbst gesehen und allen gezeigt, auf welchem Niveau er spielen kann – das ist das Gute. Diese Niederlage ist jedoch natürlich auch bitter für ihn: Denn Timo hat ein sehr gutes Turnier gespielt, aber am Ende vergessen, seine Leistung auch zu krönen. Es wäre wichtig fürs Selbstvertrauen gewesen, erstmals gegen Fan Zhendong zu gewinnen.“
Team-WM in Südkorea und die Olympischen Spiele im Visier
Der Bundestrainer sah in Linz aber nicht nur einen spielerisch herausragenden Boll. An den Tagen zuvor hatten auch Dimitrij Ovtcharov, der anschließend Boll in einer spektakulären Partie unterlag, mit seinem Sieg über den Weltranglistenfünften Tomokazu Harimoto und Benedikt Duda mit dem Erfolg über Südkoreas ehemaligen WM-Dritten Lee Sangsu für Glanzlichter gesorgt. Roßkopf: „Dima hat gegen Harimoto beeindruckend gespielt und ist auf einem sehr guten Weg, Benewar sehr stark gegen Lee Sangsu, die Austrian Open war ein gutes Turnier für alle.“
Auf das letzte World-Tour-Turnier des Jahres in Linz folgen nun noch für Dimitrij Ovtcharov und Patrick Franziska Einsätze beim T-2-Diamond-Turnier in Singapur (21.-24.11), Ovtcharov und Boll gehen in der übernächsten Woche beim Men’s World Cup in Chengdu (29.11.-1.12.) an den Start, außerdem stehen für Boll, Ovtcharov, Franziska sowie die Doppel Boll/Franziska und Benedikt Duda/Qiu Dang Mitte Dezember noch die ITTF World Tour Grand Finals in Zhengzhou (12.-15.12.) mit den 16 besten Einzelspielern und den acht besten Doppeln des Jahres auf dem Programm. Roßkopf: „Danach gibt es dann eine kleine Pause, und ab 1. Januar geben wir dann wieder Vollgas und bereiten uns intensiv auf die Team-WM in Südkorea und vor allem die Olympischen Spiele in Tokio vor, wo wir auf sehr gute Ergebnisse hoffen.“
Quelle: Deutscher Tischtennis-Bund, Bild: Picture Alliance